Es ist, wie es ist.

Schwarzafrika lehrte mich, was es heißt, anzunehmen. Den Moment als einzige existierende Wahrheit zu leben.

“Es ist, wie es ist.” Haben Sie diese Zauberformel schon einmal ausprobiert?

Bei mir war es meine Rettung, denn sonst hätte ich vieles in seiner Einfachheit und Schönheit, die hinter der scheinbaren „Armut“ in Afrika sichtbar wurde, nicht wahrnehmen können.

Besuch bei Freunden

Im November 2014 entschieden sich meine Freunde Ines und Raul in Raul’s Heimat Mosambik zurückzugehen. Dort wollen sie ein Bildungsprojekt verwirklichen und den Aufbau der Wirtschaft unterstützen. Ich hatte ihnen versprochen, sie zu besuchen, wenn sie sich eingelebt hätten.

Ich flog vier Wochen nach Schwarzafrika, Mosambik, Maputo – auf einen anderen Kontinent, in eine Welt, von der ich überhaupt keine Ahnung und Vorstellung hatte.

Nach einem endlosen Flug von 12 Stunden landete ich in Maputo. Nun war ich da und mein Abenteuer begann.

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Blick auf Maputo

Die allgegenwärtige Hitze

Meine erste Lektion bekam ich sofort, als ich über die Hitze meckerte. Meine Freunde lachten nur und sagten: „Daran wirst Du Dich wohl gewöhnen müssen. Das Wetter ist jeden Tag so. Es ist wie es ist“ – Na, das konnte ja heiter werden.

Mein Bett wird erst jetzt gekauft

Nebenbei erwähnten meine Freunde auf der Fahrt: „Wir müssen Dir noch ein Bett kaufen“.

Können Sie sich vorstellen, wie mein „westlicher“ Kopf anfing zu toben? Warum erst jetzt ein Bett kaufen? Sie wissen doch schon lange, dass ich komme!

Habe es zum Glück nur gedacht und wieder: Es ist wie es ist.

Es ist wie es ist

Ich fiel von einer Ohnmacht in die andere. Nach meinem „westlichen“ Denken sah es ärmlich aus, nichts war wohlgeordnet, wirkte irgendwie chaotisch. Alles war laut und schmutzig, viel zu heiß und staubig. Wann immer ich es aussprach, kam der Satz:: „Es ist, wie es ist – nicht mehr und nicht weniger. Hörst Du auf, ständig zu bewerten und zu beurteilen, dann ist alles in Ordnung. Schau Dir die Menschen an, Ihnen geht es gut“.

Für einen Moment fühlte ich mich beschämt. Doch dann wurde ich ganz ruhig und schaute nur. Ich nahm wahr und bemerke die Zustände – mehr nicht.

Augenblicklich bin ich so dankbar für all den Wohlstand und die Fülle, die ich in Deutschland so selbstverständlich leben darf.

Meine „Heimat“ in Afrika

Wir bogen von der „Hauptstraße“ ab und fuhren auf einer reinen Sandpiste, auf der unser Wagen hin- und herschlingerte.

Dann war ich endlich völlig durchschwitzt in meinem zeitweiligen Zuhause. Keine Klimaanlage. Alles fühlte sich heiß an und meine Matratze war wie ein Grill.

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Haus und Hütte

Was mir neben all den Widrigkeiten und Herausforderungen im Gedächtnis geblieben ist, sind die Menschen. Ganz besonders erwähnen möchte ich

„Mama“

Dann begegnete ich „Mama“ , der Mutter von Raul. Was für eine Erscheinung! Ihre 85 Jahre strahlen eine besondere Würde aus und trotzdem wirkt sie so lebendig. Sie ist eine sehr imponierende Gestalt und stolze Person.

Ich wurde sofort liebevoll in die Familie aufgenommen. „Mama“ umarmte mich und Ihre warmherzige Ausstrahlung hüllte mich sofort ein – mein Herz wurde weit.

Zwischen uns bestand eine Verbindung, die nicht zu erklären ist. Sie war einfach da – von Anfang an. Obwohl wir uns kaum unterhalten konnten, verstanden wir uns – irgendwie. Oftmals lachten wir über unsere „Sprache“, die kein anderer verstand. Die Sprache des Herzens braucht eben keine Worte.

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Mama und Raul

Was mir bei „Mama“ und allen anderen Menschen sofort auffiel: Alle waren sie dem Leben zugewandt. Obwohl “Mamas” Leben von vielen Entbehrungen gekennzeichnet war, hat sie das Lachen und die Freude nicht verlernt. Fast nie klagte sie über die Vergangenheit und wenn, dann war es eine Zusammenfassung. Ganz ruhig wurde berichtet, dass sie 15 Kinder in dieser kleinen Hütte geboren hatte und bis vor kurzem darin lebte. Sieben Kinder zog sie allein groß und alle konnten sie in die Schule gehen.

Kein Wort der Klage – es ist wie es ist.

„Mama“ selbst kann weder lesen noch schreiben. Das tut ihr keinen Abbruch, denn sie hat die „Universität des Lebens“ besucht. Das hat sie geprägt und zu dieser ungewöhnlichen, starken Frau gemacht.

Kaufen und Verkaufen das war ihr Hobby. Mit Geld konnte sie gut umgehen und mancher erhielt einen „Kleinkredit“. Sehr genau achtete sie jedoch darauf, dass es auch zurückgezahlt wurde.

Leben wie im Paradies

Das erste Mal in ihrem Leben schläft sie in einem Bett in einem Haus. Können Sie sich vorstellen, wie himmlisch das für die müden und alten Knochen von „Mama“ ist? Von ihrem Sohn und ihrer Schwiegertochter umsorgt zu werden, lässt „Mama“ richtig aufblühen. Das habe ich in den vier Wochen selbst erlebt.

Sie denkt nicht nur an sich, sondern betet darum, dass es auch vielen anderen Menschen so gehen möge. Geliebt zu werden und ein leichteres Leben im Alter zu haben.

„Mama“ überraschte und erstaunte mich immer wieder. Wie selbstverständlich sie all die Veränderungen in ihrem Leben annahm. Neugierig probierte sie aus, was wir ihr anboten. Ob Rotkohl, Stolle oder Marzipan.

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Meine Familie

Wahrer Reichtum

Aus meiner Sicht habe ich den wahren Reichtum dieses Landes entdeckt:

Es sind nicht die materiellen Dinge, sondern die besonderen menschlichen Qualitäten, die das Leben in Mosambik bereichern und ausmachen.

Dankbarkeit und Nächstenliebe

durchzieht das gesamt Leben in Mosambik.

Mich berührte es sehr, wenn ich sah, was die Menschen aus dem Wenigen – nach meinem westlichen Verständnis – machten. Alles wurde achtungsvoll behandelt und gerne mit anderen geteilt. Es ist auch Tradition in diesem Land, einen Gast zu bewirten. Fast immer wurde ich zum Essen eingeladen. Manchmal gab es auch nur eine Ananas, Papaya oder Mangos.

Die Freude, mir etwas Gutes zu tun, erfuhr ich von vielen Mosambikanern. Ich führte viele Gespräche in englisch über Deutschland allgemein und besonders zu meinem so anderen Leben. Mir begegnete sehr viel Wohlwollen und Anteilnahme.

Sich auch mit dem Wenigen reich zu fühlen, das ist wirkliche Lebenskunst, die mir ständig begegnete. Da kann ich noch viel lernen!

Gelebter Glauben und Urvertrauen

In der Familie meiner Freunde wird der christliche Glaube gelebt. Dieser Glaube ist tief verinnerlicht und verwurzelt. Er beeinflusst ihr Handeln und Leben. Liebe, gegenseitiger Respekt und Anerkennung sind keine leeren Worte, sondern sie werden täglich gelebt.

Vor jeder Mahlzeit wurde ein Dankesgebet gesprochen – das erinnerte mich daran, wofür ich alles dankbar sein kann. Ich lebe in einem Land, in der die Fülle so normal ist, dass Dankbarkeit oft ausbleibt. Das gilt manchmal auch für mich.

Hinzu kommt ein Urvertrauen, das durch nichts zu erschüttern ist. Das Leben wird so angenommen, wie es sich gerade zeigt – es ist weder gut noch schlecht – einfach das Leben in diesem Moment. Fast nie besteht das Gefühl, getrennt von der universellen Kraft zu sein. Diese afrikanische Lebensphilosophie ist eine Grundhaltung. Sie beinhaltet das Bewusstsein und den Glauben, selbst ein Teil eines großen Ganzen zu sein. Deshalb ist Teilen etwas ganz Natürliches, Universelles.

Dieser unerschütterliche Glaube, das Leben als Geschenk zu sehen, durchzieht die ganze Nation. Jeder nimmt sein Schicksal an und weiß auf einer anderen Ebene, dass es Teil seiner Bestimmung ist. Es ist eine Momentaufnahme und kann sich täglich ändern – dieses Vertrauen wohnt tief in ihrem Inneren.

Lebensfreude pur

Mir fiel es schwer mir vorzustellen, was diese Menschen in den langen 16 Jahren! des Bürgerkriegs zum Teil erlitten hatten.

Deshalb beeindruckte mich besonders die pure Lebensfreude. Sie überstrahlte alles. Hier helfen sich die Menschen noch untereinander, denn die Familie ist eine besondere Quelle der Kraft. Vor allem nutzen sie jede Gelegenheit, um mit einander zu lachen und zu reden – an der Bushaltestelle, auf der überfüllten Ladefläche eines Lastwagens, auf der Straße im Vorbeigehen oder in den Geschäften.

Die Lebensfreude ist einfach da, auch wenn die Umstände nach westlichem Verständnis schwierig sind. Feiern ist auch ein großer Teil ihrer Kultur. Gründe dafür gibt es genug – und wenn es nur das Leben ist., was gefeiert wurde. Schlechte Laune hat in diesem Land wenig Platz.

Wie die Mosambikaner in jeder Situation gelassen blieben, das ist für mich wirklich hohe Kunst. Es ist eine besondere Kraft, von der ich gerne mehr hätte.

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Mein Geburtstag

Zufriedenheit

Selten bekam ich mit, dass gemeckert oder genörgelt wurde. Im Gegenteil, diese grundsätzliche Zufriedenheit ließ es gar nicht erst dazu kommen. Ich hatte das Gefühl, die Menschen hatten genug, was sich auf ihr Inneres bezog. Den Äußerlichkeiten gaben sie nicht so viel Aufmerksamkeit, sondern sie suchten sich Menschen, mit denen sie fröhlich sein konnten und lachen.

Wie gelassen, dankbar, zufrieden und wie selbstverständlich die Menschen ihr Leben annehmen, das hinterlässt sehr viel Nach- und Umdenken bei mir. In allem sahen Sie Gutes und haderten nicht mit dem, was gerade ist.

Meine Freunde als Vorbild

Voller Hochachtung schaue ich auf meine Freunde Ines und Raul. Beide sind starke Persönlichkeiten, denn sie haben sich innerhalb eines Jahres aus dem Nichts eine gesicherte Existenz geschaffen und ein Haus mit eigenen Mitteln gebaut.

Auch hier gilt: Erfolg kommt vom Tun.

Für mich sind sie Pioniere in diesem Land, die viele Veränderungen bewirken (können). Sie motivieren andere Menschen, machen ihnen Mut, mehr zu lernen und unterstützen sie dabei.

Ihre Beharrlichkeit nach immer neuen Wegen zu suchen, das imponiert mir sehr. 2009 entstand ihre Idee für ihr Bildungsprojekt. Seit 2013 gibt es keine konkreten Ergebnisse. Jetzt ist der Anfang gemacht: Eine Klasse von 15 Schülern werden als Verwaltungsfachkraft auf eigene Kosten ausgebildet.

Meine Geschenke von dieser Reise

Mit einem Sack voller Erfahrungen, Erlebnissen und neuen Gedanken bin ich in Deutschland zurück. Für mich habe ich den wahren Reichtum in diesem Land mit diesen liebenswerten Menschen entdeckt. Was in Deutschland so wichtig erscheint, zählt dort wenig. Vielmehr sind es die menschlichen Werte, die in mir nachklingen und mich sehr dankbar und demütig sein lassen.

Ein völlig neues Bild von „Armut“ und Afrika ist entstanden. Frei von meinen eigenen vagen Vorstellungen ist es viel realistischer. Viel bunter und lebendiger, trotz der Herausforderungen, die noch zu bewältigen sind.

Der Satz: Es ist wie es ist, hilft mir schnell wieder im Moment, dem Jetzt, zu sein. Meistens ist es fast nie so, wie es im Augenblick scheint.

Wer gerne mehr über dieses Land und meine Erlebnisse erfahren möchte, dem empfehle ich mein e-book „Mein anderes Leben in Afrika“, das demnächst erscheint.

Um bei Ihnen das Gefühl von Reichtum zu verstärken, empfehle ich Ihnen ein kleines Video, welches Sie über folgenden Link erreichen:

https://www.youtube.com/watch?v=Ypgp_lpZA5w

Herzliche Grüße

Heide Dierks

8 Kommentare

  1. Veröffentlich von Ines und Raul Munguambe am 19. März 2016 um 20:06

    Liebe Heide,
    vielen Dank für den schönen Bericht. Wir haben an vielen Stellen herzlich gelacht, weil wir alle Bilder und Begegnungen mit Dir wieder ganz lebendig vor Augen hatten.
    Danke, dass Du bei uns warst und diese Zeit mit uns geteilt hast.
    Fühle Dich ganz liebevoll von uns umarmt,
    Deine Herzens-Freunde



  2. Veröffentlich von Lothar Schmidt am 29. März 2016 um 20:14

    Liebe Frau Dierks,
    was für ein wundervolles Video – postive Glaubenssätze 🙂

    Auch der Artikel spricht mich sehr an. Er erinnert mich an meine niederrheinische Heimat “Et is, wie et is” und “Et is noch immer jod jejange.” Ich mag diese Weisheiten und die offene, tolerante Haltung dahinter.
    “Es ist wie es ist” begleitet mich auch als Coach. Ein Geheimnis des Coachings ist, das hier jeder sein darf, wie er ist. Wo gibt es das sonst in unserer Gesellschaft.

    Danke für den inspirierenden Beitrag.
    Herzliche Grüße
    Lothar Schmidt



  3. Veröffentlich von Monika Birkner am 30. März 2016 um 21:48

    Liebe Heide ,

    was für ein wunderbarer Artikel. Und sehr interessant die Synchronizität, weil der Satz “Es ist, wie es ist” mich gerade auch einige mentale Grenzen überschreiten lässt.



  4. Veröffentlich von Asja Schrödl am 30. März 2016 um 22:57

    Liebe Heide,
    ich freue mich sehr, dass Dein Reisebericht und seine Weisheit die Menschen erreicht. Wenn ich Deine Zeilen lese, bin ich mittendrin. Danke, dass Du einen so gut mitnehmen kannst.
    Deine Erlebnisse erinnern mich an meine Kindheit. Die Sommer-Ferien verbrachte ich in einer Hütte im Wald und ich habe diese Einfachheit geliebt. So sehr, dass ich mir dieses Paradies für mich und andere wieder schaffen möchte. Einfachheit macht es möglich, das wirklich Wichtige wahrnehmen zu können.
    Danke für’s Erinnern, liebe Heide. 🙂



  5. Veröffentlich von Annett Wonneberger am 6. April 2016 um 21:55

    Und wieder sprechen Bilder wahre Bände !
    Schön dich dort zu sehen.
    Liebe Heide, auch ich danke Dir für diesen Einblick in deine Reise, in dem du sehr schön beschreibst worauf es eben wirklich ankommt, in unserem einzigen und wahrhaften Leben.
    Auch ich liebe die einfachen Dinge und ich fühle mich wohl wenn es “weniger statt mehr” ist, dafür aber echt und unbezahlbar. Ich verabschiede mich mit einem Zitat und freue mich Dich bald im Mai wieder zu sehen.
    -Glücklich sein ist eine Entscheidung-
    Herzensgrüße Annett



  6. Veröffentlich von Verena Kayser am 12. April 2016 um 20:24

    Liebe Heide,
    ein wundervoller Bericht, der einem die Augen wesentliches öffnet. Mein neu hinzugekommene Mantra: ES IST WIE ES IST.

    Persönlich habe ich mir von einer Schriftstellerin noch mit Motto aufgenommen:
    Es kütt wie es kütt. …
    Liebe Grüße von Verena



  7. Veröffentlich von Verena Kayser am 12. April 2016 um 20:26

    Liebe Heide,
    ein wundervoller Bericht, der einem die Augen für Wesentliches öffnet. Mein neu hinzugekommene Mantra: ES IST WIE ES IST.

    Persönlich habe ich mir von einer Schriftstellerin noch mit Motto aufgenommen:
    Es kütt wie es kütt. …
    Liebe Grüße von Verena❤



  8. Veröffentlich von Maria Pierau am 24. Mai 2016 um 16:06

    Liebe Heide,
    dies könnte auch mein Bericht sein, 16 Jahre als Entwicklungshelferin in Mittel- und Südamerika haben mein Leben geprägt, nun bin ich zur Zeit wieder in Deutschland, von meiner beruflichen Ausbildung her eine Ärztin für Naturheilverfahren mit Schwerpunkt Zellinformationsdiagnostik/Aromatherapie und Klang/Urklangtherapie und Trauerbegleitung. Meine Vision ist ein Heilcentrum auf den Azoren, Schwimmen mit Delfinen und Leben in der Natur in Lehmhütten, für die man in Portugal keine baugenehmigung braucht. Sicher kann ich weitere Inspirationen und Unterstützung gebrauchen, wer weiß, was noch kommt…..
    Herzlich, Dr. J. Maria Pierau



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